Jede Lebensphase hat seine eigene Krise. Trifft die Midlife Crisis uns in der Lebensmitte, so werden manche von uns mit Mitte Zwanzig von der Quaterlife Crisis heimgesucht. Wie wirkt sie sich aus, wie ist sie zu erkennen und vor allem, wie finden wir heraus, wenn wir mitten in einer stecken?
Quarterlife Crisis – Warum zu dem Zeitpunkt?
Eigentlich hast du das perfekte Alter erreicht. Jedenfalls aus Sicht deines Ichs von vor 10 Jahren. Den Schulabschluss in der Tasche, einen Beruf gelernt oder deinen Traumstudienplatz ergattert.
Und trotzdem fühlst du dich, wie eine Feder im Wind, die beim kleinsten Hauch wild herumgewirbelt wird und keinen Halt findet. Willkommen in der Quarterlife Crisis.
Als Kind der Jahrtausendwende muss dir diesen Begriff niemand übersetzen. Ein viertel Leben plus Krise. Das Wort zu kennen, bedeutet jedoch noch nicht, den Zustand zu verstehen. Also – warum fallen junge Menschen in die Sinnkrise?
Je nachdem wie behütet du aufgewachsen bist, stürmt jetzt eine Menge auf dich ein. Alle verlangen, dass du Verantwortung unternimmst. Dein Welpenschutz ist ausgelaufen.
Im Beruf bist du jetzt Fachkraft. Vielleicht hast du auch im privaten Bereich bereits einen Status, der besondere Verantwortung mit sich bringt.
Eine Wohnung, eine Partnerschaft oder ein Kind bringen Pflichten mit sich, die du bis dato zwar theoretisch kanntest, die sich in der Praxis aber völlig anders anfühlen.
Du musstest erste Enttäuschungen erleben und verarbeiten. In Bezug auf die Quarterlife Crisis spielen vor allem falsche Vorstellungen vom Berufsbild oder Arbeitsleben eine Rolle.
Die Vorstellung, bis zur Rente täglich an den Schreibtisch zu kommen und sich zu fragen, ob das der Beitrag zum Erhalt einer zivilisierten Wirtschaftsmacht sein soll, deprimiert viele.
Und als wenn das nicht alles schon genug wäre, werden dir jetzt auch die Auswirkungen deiner Jugendsünden klar.
Lernfaulheit in der Schule, ein mäßiger Abschluss und die verpasste Chance auf den Wunschausbildungsplatz fühlten sich bisher nicht an wie ein Verlust. Die Alternativen wirkten nicht wie eine zweite Wahl.
Gab es die Quarterlife Crisis auch früher schon?
In der Wissenschaft gibt es diesen Begriff erst seit 1997. Das heißt aber nicht, dass es den Zustand nicht schon immer gab. Die Quarterlife Crisis wird stark von Ängsten beeinflusst und Ängste hatten Menschen schon immer.
Dass die Krise im jungen Erwachsenenalter in den Fokus gerückt ist, hängt vermutlich damit zusammen, dass es nicht mehr als Tabu gilt, über Ängste zu sprechen. Außerdem gehören aktuell Betroffene zu einer Generation die stark vom digitalen Wandel beeinflusst ist.
Der Wert von Updates in Bezug auf Softwares wird aufs Leben übertragen und weckt die Angst, was zu verpassen, nicht UpToDate zu sein. Eine ununterbrochene Informationsflut stürmt auf uns ein, die uns völlig überfordert.
Der Mainstream saugt uns auf und nimmt uns mit. Dass du vielleicht in die andere Richtung wolltest, merkst du erst, wenn du tatsächlich der Entscheider über dich und dein Leben bist. Denn in Berufswahl, Schule etc. reden die Eltern ja noch hinein.
Die Quarterlife Crisis gab es also schon früher, ihr wurde nur nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Außerdem galt in der Erziehung das Pflichtgefühl noch etwas, was die Gedanken an einen beruflichen Wechsel überlagerte.
Natürlich hatten Eltern und Großeltern auch oft noch nicht die Möglichkeiten, die es heute gibt, um sich selbst zu verwirklichen.
Quarterlife Crisis und Karriere
Wie wichtig dein Job für Lebensgefühl, Selbstwert und Optimismus ist, wird dir jetzt erst bewusst. Woher solltest du auch wissen, dass der Alltag in deinem Wunschberuf nicht die Herausforderungen bringt, die du dir erhofft hast?
Doch nicht verzagen, denn im Beruf die Weichen neu zu stellen, ist dank Qualifizierungschancengesetz für jeden möglich geworden. Ob Aufbaustudium oder Umschulung in einen neuen Beruf – du hast viele Möglichkeiten, dir ein Betätigungsfeld zu erschließen, das dir sinnvoll scheint und zu deinen Vorstellungen passt.
Tatsächlich muss dich das auch gar nicht teuer zu stehen kommen, denn es gibt zahlreiche Fördermöglichkeiten. Außerdem bist du noch jung genug, um eine zweite Ausbildung zu machen.
Du wirst überrascht sein, wie viele junge Menschen dies machen, weil die Erstausbildung sie bereits desillusioniert hat und sie ihren Traumberuf inzwischen als Albtraum sehen.
Steckst du noch in der Ausbildung oder studierst, so solltest du abwägen, ob du dich noch über die letzten Meter quälst, um einen Abschluss in der Tasche zu haben oder dich direkt neu orientierst.
Mühsam erlangte Abschlüsse werden in der Praxis oft sehr geschätzt und erhöhen auch die Chancen auf einen lukrativen Quereinstieg.
Quarterlife Crisis ist kein Makel
Während die Midlife Crisis zelebriert wird, wird den jungen Erwachsenen oft nicht zugestanden, dass sie eine Krise haben können. Daher fühlen sich viele ausgegrenzt. Sätze wie: „Komm du erstmal in mein Alter!“ nehmen dir dann restlos den Mut, über dein Problem zu sprechen.
Introvertierte haben es oft noch schwerer, weil sie Unzufriedenheit aufgrund ihres Wesens nicht kundtun und die Quarterlife Crisis mit sich selbst ausmachen wollen. Sie nehmen wahr, wie Extrovertierten begegnet wird und trauen sich gar nicht mehr, etwas zu sagen.
Doch es gibt auch Vorteile des Introvertiertseins, die gerade auch in der Quarterlife Crisis hilfreich sein können.
Fest steht: Weit mehr junge Menschen als gedacht, durchleben diese Krise. Der Fachkräftemangel in fast allen Berufsbereichen kommt dir zugute, denn der Arbeitsmarkt ist für motivierte Quereinsteiger oder Weiterbildungswillige aktuell wie eine Streuobstwiese, auf der die beste Frucht ausgesucht werden kann.
Allerdings gehört auch Ehrgeiz dazu, sich neu gesteckte Ziele, zu erreichen.
Dass die Quarterlife Crisis ernst zu nehmen ist, zeigt, dass sich Krankenkassen diesem Thema widmen und umfassend darüber informieren.
Fazit: Du bist wichtig. Von deinem Wohlbefinden, deiner Worklife Balance und deinem Selbstwertgefühl hängt ab, wie leistungsfähig du sein kannst. Im falschen Job wird dir Energie und Lebensfreude abgezogen.
Hast du jedoch deinen Job gefunden und zweifelst nur an deinen Fähigkeiten, so trau dir was zu. Geh offen mit Versagensängsten um, bitte deinen Chef um Weiterbildungen.
Auch im privaten Bereich können neue Verantwortungsbereiche dich vielleicht erschrecken und ängstigen. Doch wenn du dich drauf einlässt, können sie dein Leben auch bereichern. Ein Restrisiko gibt es immer. Im Job, in der Beziehung und im Leben. In tiefe Krisen musst du deswegen aber nicht stürzen, denn es gibt viele Wege, hinaus zu finden.