Dein Berufseinstieg ist geglückt und die nächste Karrierestufe steht an. Doch wohin soll die Reise gehen? Eher spezialisieren und zum Experten in einem eng gefassten Fachgebiet werden? Oder doch eher breit aufstellen, gerade weil mich vieles interessiert?
Meine unsägliche Neugier war es, die mich dazu veranlasste, meine Karriere im Produktmanagement einer Leasinggesellschaft zu starten. Es gab so vieles zu entdecken: Recht, Steuern, Marketing, Risiko, Einkauf und IT.
Meine Scanner-Persönlichkeit war hoch erfreut, es wurde über Jahre hinweg nie langweilig. Mein Aufgabengebiet war bunt gemischt und ich hatte viel Freude daran. Und doch hat mich immer wieder der Gedanke beschlichen, dass ich mich spezialisieren müsste, um echten Mehrwert zu bieten.
20 Jahre später bin ich Vorstandsmitglied in einem mittelständischen IT-Unternehmen und seit mehr als 15 Jahren Führungskraft. Meine Mitarbeiter sind in allen Aspekten besser ausgebildet als ich, darauf bin ich stolz.
Meine Aufgabe ist es, in sehr kurzer Zeit alle Fakten einer Frage oder neuen Situation zu umreißen und den Spezialisten die richtigen Fragen zu stellen. In diesen 20 Jahren sind mir immer wieder Menschen begegnet, die mit der Frage Generalist oder Spezialist hadern.
Lass uns daher gemeinsam die Vor- und Nachteile beleuchten.
Der Generalist: Allrounder, Multitalent oder Nichtskönner?
Generalisten zeichnen sich durch ein breites Wissen in vielen Themengebieten aus. Dadurch haben sie einen guten Überblick, können sich schnell auf neue Situationen einstellen und aus ihren Erfahrungen schöpfen.
Es gelingt schneller, Lösungen zu finden, weil ein Generalist in Strukturen denkt und die richtigen Fragen stellen kann. Das hilft dem Unternehmen, weil er sehr flexibel eingesetzt werden kann und in der Regel zum Ziel findet.

Du selbst profitierst davon, weil dein Arbeitsalltag abwechslungsreich ist und gleichzeitig anspruchsvoll. Routinen kannst du weitestgehend vermeiden und du lernst unterschiedliche Fachabteilungen kennen. So bildest du auch deine sozialen Skills immer weiter aus.
Nicht nur das, du bist in der Lage, dir zügig das notwendige Wissen anzueignen, lebenslanges Lernen wird für dich so zur Selbstverständlichkeit.
Und solltest du dabei ein Fachgebiet entdecken, dass dich mehr reizt als alle anderen, steht dir der Weg ins Spezialistentum nach wie vor offen. Alternativ entwickelst du dich weiter zur Führungskraft oder du lernst unterschiedliche Branchen kennen.
Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten…
Nachteile von Generalisten
Du kannst zwar vieles, aber nichts so richtig. Der „Hansdampf in allen Gassen“ kann zwar in vielen Projekten und Aufgaben eingesetzt werden, die wirklich wichtigen Fragen sind dennoch dem Spezialisten vorenthalten.
Dein Alleinstellungsmerkmal ist nicht sofort sichtbar, dein Lebenslauf verwässert. Bei Stellenausschreibungen passt einiges so ungefähr, aber nichts so richtig. Und möglicherweise fragst auch du dich „was kann ich wirklich, was ist mein Mehrwert, warum sollte man ausgerechnet mich einstellen“.
Du sträubst dich einerseits gegen den Gedanken, Generalist zu sein, andererseits entspricht die Vielfalt und Abwechslung deiner Persönlichkeit.
Meine Empfehlung, um aus diesem gedanklichen Hamsterrad zu entfliehen: kenne deine Werte und vertraue auf sie. Wenn dir Freiheit, Vertrauen und Entfaltung wichtig sind und du nach Veränderung und einem starken Team suchst, dann finde den für dich passenden Arbeitgeber.
Während Spezialisten auf der Suche nach einer konkreten Stelle sind, suchst du dir passende Rahmenbedingungen und kannst dich so im Unternehmen weiterentwickeln und entfalten.
Konkurrenzloses Knowhow: der Spezialist
10.000 Stunden Training machen ein Talent. Du hast dich über eine lange Zeit hinweg mit einer fachlichen Herausforderung im Detail auseinandergesetzt und kennst nicht nur jede Frage, sondern auch die dazu passende Antwort.
Deshalb bist du die Go-to-Person, die jeder im Unternehmen gerne nach der Expertise befragt. Dein Nutzen wird nicht angezweifelt, der Mehrwert deiner Aufgabe und Position ist internen Ansprechpartnern genauso klar wie Headhuntern.
Du bist ein konkurrenzloser Experte, der häufig genauso gute Verdienstchancen hat wie eine Führungskraft.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten…
Die Schattenseiten als Spezialist
Das funktioniert so lange exzellent, wie du in einer boomenden Branche tätig bist.
Kling jedoch der Hype ab oder gibt es ein Überangebot an Experten am Markt, wird ein Jobwechsel deutlich schwieriger. Beim Branchenwechsel musst du dich zudem intensiv in das Fachwissen einarbeiten.
Überhaupt: als Experte erwartet dein Arbeitgeber von dir, dass du die neuesten Trends und Entwicklungen kennst und jederzeit über das aktuelle Fachwissen verfügst, Lernen sollte dir großen Spaß machen.
Für welche Berufe eignen sich Generalisten und Spezialisten?
Generalisten findet man häufig in zentralen Funktionen und Abteilungen, wie beispielsweise Projektmanagement, Organisationsentwicklung, Kommunikation.
Wohingegen typische Spezialisten oftmals in der Wissenschaft, Forschung und Fachgebieten wie Jura eingesetzt werden.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Unternehmensgröße: je größer das Unternehmen, umso häufiger finden wir eine starke Spezialisierung.
Am Beispiel der Personalabteilung: in kleinen Unternehmen wird das Gebiet „Human Resources“ häufig von einem kaufmännischen Generalisten besetzt, der sich häufig zusätzlichen um organisatorische und finanzielle Fragen kümmert.
In einem Konzern ist diese Rolle bis ins Detail spezialisiert: der Spezialist für Lohn- und Gehaltsabrechnung im Vertrieb kennt sich häufig in Fragen der Rekrutierung oder Mitarbeiterentwicklung kaum aus.

Wohin geht die Reise? Wer gewinnt das Rennen?
Ich bin davon überzeugt, dass Technologie unsere Zukunft in allen Berufsbildern prägt. Daher braucht es natürlich Experten in Künstlicher Intelligenz, Robotik oder Augmented Reality. Und weil die Halbwertzeit unseres Wissens immer geringer wird, besteht ein hoher Anspruch an diese Spezialisten.
Gleichzeitig benötigt diese Gesellschaft Menschen, die in der Lage sind, ethische Fragen zu stellen und komplexe Fragestellungen zu bearbeiten. Generalisten, die wie einst Steve Jobs ihr Wissen rund um Computer verknüpfen mit Erkenntnissen aus dem künstlerischen Umfeld und Neurowissenschaften.
Traditionelle Karrieren haben zunehmend ausgedient. New Work braucht keine Leiterkarrieren, sondern flexible Rollen. Dann bist du Experte in einem Thema, morgen Projektleiter und übermorgen Führungskraft.
Es ist daher völlig legitim, Spezialistenwissen in deinem Herzensthema aufzubauen und gleichzeitig auf eine breite Ausbildung und Erfahrung zu setzen. Besinne dich auf deine Stärken, auf eine Einzigartigkeit.
Es gibt für uns alle einen perfekten Platz, als Generalist und als Spezialist. Die Japaner sprechen vom Ikigai, wenn sich dein Wissen und deine Motivation mit dem vereinen, was andere Menschen benötigen und bezahlen. Halte also die Augen offen nach diesem Sweet Spot.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei und auch ein Quäntchen Glück, das schadet nie.
Sabrina von Nessen ist ein leidenschaftlicher Leader mit 20 Jahren Erfahrung in der Finanz- und IT-Branche. Ihre Begeisterung für Technologie hat sie in 15 Jahren als Führungskraft in gleicher Weise entdeckt und kultiviert wie die tiefgründige Leidenschaft für Emotional Leadership. Denn High Performance und damit Erfolg beginnen im Kopf des Einzelnen, dessen Emotionen und Glaubenssätzen. Ihr größtes Learning als Head of Product Management, IT oder Marketing bis zum C-Level: It all starts with „why“. Wenn Menschen erlernte Grenzen sprengen, entsteht Großartiges. Diese Überzeugung und eine große Neugier verhelfen ihr zum Erfolg beim Aufbau von Unternehmen, Teams, Strukturen und Prozessen. Mehr über Sabrina von Nessen und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme findet ihr unter https://linktr.ee/sabrinavonnessen